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Antioxidantien – Hype oder hilfreiche Unterstützung? Die unterschätzte Rolle von oxidativem Stress und Prooxidation

Aktualisiert: 1. Okt. 2024

In den letzten Jahren sind Antioxidantien wie Methylen-Blau und Astaxanthin in den Fokus vieler gesundheitsbewusster Menschen geraten. Sie werden als Wundermittel gegen oxidativen Stress und vorzeitige Alterung gepriesen. Doch wie so oft bei neuen Gesundheits-Trends ist der tatsächliche Nutzen und die Rolle von oxidativem Stress im menschlichen Körper viel komplexer, als es zunächst scheint. In diesem Blog möchte ich einige Missverständnisse aufklären und Ihnen einen ganzheitlichen Blick auf die Rolle von Oxidation, Prooxidation und Antioxidantien geben.


Oxidation und oxidativer Stress – natürliche Prozesse im Körper

Oxidation ist ein völlig natürlicher Vorgang in unseren Zellen. Dabei entstehen reaktive Sauerstoffspezies (ROS), die oft als "freie Radikale" bezeichnet werden. Diese Moleküle haben den Ruf, unseren Zellen zu schaden und Alterungsprozesse zu beschleunigen. Doch das Bild ist nicht so einfach: Ein gewisses Maß an oxidativem Stress ist nicht nur unvermeidlich, sondern sogar notwendig für verschiedene Zellprozesse.

Unser Körper nutzt ROS unter anderem als Signalmoleküle, die wichtige Prozesse wie die Zellteilung, Heilung und Immunabwehr steuern. Ohne oxidative Prozesse könnten viele körpereigene Reparatur- und Abwehrmechanismen nicht richtig funktionieren. Das bedeutet: Ein gewisses Maß an oxidativem Stress ist normal und gesund!


Prooxidation – der gezielte Einsatz von oxidativen Prozessen

Ein weiterer Punkt, der oft übersehen wird, ist die Prooxidation. Der Körper nutzt bewusst prooxidative Mechanismen, um beschädigte oder entartete Zellen zu eliminieren. Dies geschieht durch die Aktivierung der Apoptose, des programmierten Zelltods. So schützt sich der Körper vor Krebs oder anderen gefährlichen Zellveränderungen. Auch das Immunsystem greift auf prooxidative Mechanismen zurück, um Viren und Bakterien zu bekämpfen.

Eine übermäßige Einnahme von Antioxidantien kann diese wichtigen Prozesse unterdrücken. Indem wir zu viele Antioxidantien konsumieren, riskieren wir, die natürlichen Abwehr- und Reparaturmechanismen des Körpers zu stören. Es geht also immer darum, die Balance zu finden.


Antioxidantien und das Gleichgewicht im Körper

Natürlich spielen Antioxidantien eine wichtige Rolle im menschlichen Körper. Sie helfen dabei, überschüssige freie Radikale zu neutralisieren und Zellschäden zu minimieren. Doch wie bei vielen Dingen im Leben, kommt es auch hier auf das richtige Maß an.

Eine übermäßige Zufuhr von Antioxidantien kann die natürlichen oxidativen Prozesse stören und verhindern, dass der Körper auf oxidativen Stress reagiert, wenn es notwendig ist. Es geht also nicht darum, oxidativen Stress komplett zu eliminieren, sondern ein gesundes Gleichgewicht zwischen Pro- und Antioxidation zu halten.


Wichtige Blutparameter zur Überwachung von Oxidation und Antioxidantien

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen meine Arbeitsgrundlage natürlich offenlegen. Wenn es um die Balance zwischen oxidativem Stress und Antioxidantien geht, können bestimmte Blutwerte Aufschluss darüber geben, wie es um die Prozesse in Ihrem Körper steht. Diese Parameter sind entscheidend, um zu erkennen, ob Ihr Körper einen gesunden Grad an Oxidation und Prooxidation aufrechterhält oder ob es Hinweise auf ein Ungleichgewicht gibt:

Malondialdehyd (MDA)

MDA ist ein Biomarker für Lipidperoxidation, also die Schädigung von Zellmembranen durch freie Radikale. Erhöhte MDA-Werte weisen auf einen erhöhten oxidativen Stress im Körper hin.

F2-Isoprostane

Diese Stoffe entstehen ebenfalls durch Lipidperoxidation und gelten als sehr zuverlässiger Indikator für oxidativen Stress. Sie geben Aufschluss über den Grad der Oxidation in Zellmembranen.

Glutathion (GSH)

Glutathion ist das wichtigste intrazelluläre Antioxidans. Ein niedriger GSH-Wert kann ein Hinweis auf einen erhöhten Verbrauch durch oxidative Prozesse oder einen Mangel an antioxidativer Kapazität sein.

Superoxiddismutase (SOD)

Dieses Enzym ist Teil des körpereigenen antioxidativen Schutzsystems. Es wandelt das hochreaktive Superoxid-Radikal in weniger reaktive Substanzen um. Ein Defizit an SOD kann ein Zeichen für ein Ungleichgewicht zwischen oxidativen Prozessen und dem antioxidativen Schutz sein.

Vitamin E und Vitamin C-Spiegel

Diese beiden Vitamine wirken als wichtige Antioxidantien im Körper. Ihre Messung gibt Auskunft darüber, ob der Körper ausreichend mit Antioxidantien versorgt ist.

8-Oxo-2'-desoxyguanosin (8-OHdG)

Dieser Marker zeigt oxidative DNA-Schäden an und gibt Hinweise auf den Grad der DNA-Oxidation im Körper. Erhöhte Werte können auf ein erhöhtes Risiko für Zellschäden und Alterungsprozesse hinweisen.

C-reaktives Protein (CRP)

Obwohl CRP primär ein Entzündungsmarker ist, kann es auch als Indikator für systemischen oxidativen Stress verwendet werden, da Entzündungsprozesse häufig mit erhöhtem oxidativem Stress einhergehen.


Durch die regelmäßige Überprüfung dieser Blutwerte kann gezielt erkannt werden, ob Sie oxidativen Stress oder einen Mangel an Antioxidantien haben. Auf dieser Basis lassen sich individuelle Anpassungen der Ernährung, Lebensweise und eventuell notwendiger Supplementierung vornehmen. So können Sie sicherstellen, dass die Balance zwischen Oxidation und Antioxidation gewahrt bleibt und Ihr Körper optimal funktioniert.


Methylen-Blau und Astaxanthin – Superstars oder überbewertet?

Zwei Antioxidantien, die aktuell stark im Trend liegen, sind Methylen-Blau und Astaxanthin. Methylen-Blau wird aufgrund seiner zellschützenden und potenziell energiefördernden Eigenschaften geschätzt. Astaxanthin, ein starkes Antioxidans aus der Gruppe der Carotinoide, wird für seine entzündungshemmenden und anti-aging Wirkungen gefeiert.

Doch was ist dran an diesen Substanzen? Studien zeigen zwar, dass sie eine schützende Wirkung haben können, doch auch hier gilt: Es kommt auf die richtige Dosierung und den Kontext an. Zu viel des Guten kann die bereits erwähnten prooxidativen Prozesse blockieren und langfristig schädlich sein.

Aufgrund der nicht gesichert nachweisbaren Effekte dieser beiden Substanzen, gehen meine Empfehlungen bei einem Bedarf zu körperidentischen bzw. körperbekannten Mitteln wie Glutathion, Vitamin C, E und Selen.


Antioxidantien und Sport – warum weniger manchmal mehr ist

Besonders im Bereich Sport und Fitness sind Antioxidantien beliebt. Doch wussten Sie, dass zu viele Antioxidantien nach dem Training die positiven Effekte des Trainings hemmen können? Beim Sport entstehen freie Radikale, die dazu beitragen, dass sich der Körper an den Trainingsreiz anpasst und Muskeln aufbaut.

Eine hohe Zufuhr von Antioxidantien nach dem Training kann diese Anpassungsprozesse stören und das Muskelwachstum sowie die Verbesserung der Ausdauer beeinträchtigen. Auch hier ist wieder das Gleichgewicht zwischen oxidativem Stress und Antioxidantien entscheidend.


Mythen rund um Antioxidantien – „Mehr ist besser?“

Einer der größten Mythen in Bezug auf Antioxidantien ist die Vorstellung, dass „mehr automatisch besser“ sei. Viele Menschen nehmen hohe Dosen von Vitamin C, Vitamin E oder anderen Antioxidantien in der Hoffnung, ihren Körper besser zu schützen. Doch die Realität ist komplexer.

Zu viele Antioxidantien können die natürlichen Abwehrmechanismen des Körpers schwächen, die Mitochondrienbiogenese beeinflussen und die Fähigkeit des Körpers, auf oxidativen Stress zu reagieren, verringern. Ein ausgewogenes Maß an Antioxidantien aus einer natürlichen Ernährung reicht oft völlig aus, um den Körper zu unterstützen.


Fazit – Die Balance macht den Unterschied

Antioxidantien spielen eine wichtige Rolle für unsere Gesundheit, aber der aktuelle Hype um immer höhere Dosierungen birgt auch Risiken. Es geht darum, die natürlichen Prozesse im Körper zu verstehen und zu respektieren. Oxidation und Prooxidation sind keine Feinde, sondern essenzielle Mechanismen, die uns schützen und gesund halten.

Anstatt blind auf den Trend zu setzen, sollten Sie sich auf eine ausgewogene Ernährung und einen gesunden Lebensstil konzentrieren, der sowohl oxidativen Stress als auch die Zufuhr von Antioxidantien im Gleichgewicht hält.

Wenn Sie unsicher sind, wie Sie Antioxidantien sinnvoll in Ihren Alltag integrieren können, dann lassen Sie uns gemeinsam einen Blick auf Ihre Ernährung und Lebensweise werfen. Es geht nicht nur um die richtigen Nährstoffe, sondern darum, Ihren Körper in seiner Ganzheit zu verstehen und zu unterstützen.


Quellenangaben

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